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MamiSEIN... Eintrag 03

MamiSEIN…

… eine ganz spannende Aufgabe.

Gerade, wenn du mehrere Kinder hast, stellst du bald einmal fest, dass sie alle ganz unterschiedlich sind. Ja… alle kommen vom gleichen Elternteil und doch hat jeder so sein eigenes SEIN.

Da beginnt die Herausforderung, dass man sie so lässt, wie sie sind und nicht mit den Geschwistern oder mit Spielkameraden vergleicht. Man sollte auch nicht versuchen, sie in die eigene Struktur hineinzuzwängen. Es ist natürlich selbstverständlich wichtig, dass du mit deinem Partner festlegst, was für euch bedingungslos sein muss. Und doch lade ich dich ein, gewisse Dinge ein wenig lockerer zu betrachten.

 

Die meisten von uns sind ja mit ganz klaren Strukturen aufgewachsen. Es gab strenge ‚Leitplanken‘. Ich finde Leitplanken richtig und wichtig, denn sie geben den Kindern auch Halt. Wenn Kinder tun und lassen können, was sie wollen, dann sind sie orientierungslos. Es ist also wichtig mit dem Partner zu klären, was die familiären Werte sind. Das muss sein und diese Werte darf man auch durchsetzen und darauf bestehen. Da lernen die Kinder auch etwas. Und doch ist es eben auch wichtig, viel Spielraum zu lassen… den Kindern ihr eigenes SEIN zu lassen, denn du weisst nicht, was für sie als Lebensplan gedacht ist. Oder ich sage es mal so… die wenigsten können in die Zukunft sehen und wissen, was für ihr Kind angedacht ist.

 

Ich bin zum Beispiel eine Person, die gerne Strukturen, Klarheit und Ordnung hat und mein jüngster Sohn ist ein Chaot. Ich weiss aber nicht, wieso sein SEIN so ist, wie es ist oder wie es ihm in Zukunft helfen kann, so chaotisch zu sein. Mein älterer Sohn ist ein ganz Exakter. Er ist gerade dabei, einen Beruf zu suchen. Er muss Ordnung haben… es ist alles sortiert. In seinem Zimmer ist alles geordnet und in dem Zimmer seines Bruders weiter drüben herrscht das pure Chaos. Er wird eine Arbeit leisten, wo diese Ordnung gebraucht wird… dieses Exakte… das genaue Arbeiten. Ja… auch das wird gebraucht. Und der Chaot, der hat ja andere Qualitäten, die er dann einmal für sein SEIN braucht… für seine Zukunft. Da sparst du dir viel Stress, wenn du einem Chaot das nicht abtrainieren möchtest so zu sein, sondern du kannst ihm anbieten, den Ordnungsfimmel einmal zu testen. Oder du kannst ihm aufzeigen, warum es dir hilft und warum es für dich angenehm ist, wenn etwas mehr Ordnung herrscht.

Es muss natürlich auch klar sein, dass das Chaos nur in seinem Zimmer stattfinden darf. Es gibt also Begegnungszonen … Wohnzimmer, Küche … da müssen sich alle wohlfühlen, da muss es ein Geben und Nehmen sein. In den meisten Fällen hat ja jeder sein Zimmer und dort darf jeder sein SEIN ausleben… bei uns ist es zumindest so. Es ist natürlich wieder etwas anderes, wenn du zwei Kinder in einem Zimmer hast… dann müsst ihr auch wieder eine Regel finden, wo jeder feststellen darf, was er für sich haben muss und wo er bei etwas anderem entgegenkommen kann.

Wenn euch das gelingt, dann hat jeder seinen Raum den er braucht, um sich zu verwirklichen. Somit hast du viel, viel weniger Stress. Für jeden ist klar, dass es in jedem Zimmer bestimmte Regeln gibt. An dir liegt es wiederum zu sagen…

 

Da komme ich nie mit dem Staubsauger rein, denn das ist mir zu chaotisch.

 

Meine Kinder müssen ihre Zimmer grundsätzlich selbst pflegen, aber generell könnte man sagen…

 

Wenn Ordnung im Zimmer ist, dann sauge ich… bei Chaos, NEIN!

 

Ich habe es schon in einem anderen Beitrag gesagt, dass wenn die Socken richtig ausgezogen sind, dann wasche ich und lege sie zusammen. Wenn nicht, muss das Kind sie selbst wenden und zusammenlegen. Das sind zum Beispiel bei uns die Regeln. Jeder hat also die Wahl. Du musst für dich schauen, wie du es haben musst, dass du dich wohlfühlst, dass du keine Energie verschleuderst. Denn wegen ‚Socken‘ Energie zu verschleudern, da ist mir meine Energie zu schade.

Das sind meine Überlegungen. Also, wenn es mir zu schade ist, für dieses oder jenes meine Energie zu verschwenden, dann frage ich mich…

 

Wie muss ich es haben, damit es MIR wohl ist?

Wie muss ich es haben, damit ich da keinen Energieabfluss habe?

 

Bei sich selbst schauen… seine Bedürfnisse klären und dafür einstehen. Nicht das Gegenüber verändern wollen, sondern nur Fakten schaffen.

 

Also ok… du magst die Socken nicht richtig ausziehen … ich mag nicht jedes Mal deine komplette Sockenserie wenden und zusammenlegen. Gut… dann machst du das… Punkt…fertig!

 

Keine Diskussion … klare Regeln.

 

Verstehst du, wie ich das meine?

Bei sich bleiben und dem Gegenüber Raum lassen für sein SEIN und doch festlegen, in welchem Bereich er sein SEIN komplett ausleben darf. Was muss sein, damit die Familie harmonisch leben kann und wo kannst du tolerant sein … was dann auch zur Harmonie führt … damit jeder seinen eigenen Charakter und sein eigenes SEIN ausleben kann? Und du darfst dich dann auch dafür öffnen. Also trotz Chaos sitze ich immer wieder in diesem chaotischen Zimmer und schaue an, wie er lebt. Vielleicht kann ich ja was übernehmen? Ich lasse mich sowieso gerne von meinen Jungs inspirieren. Ich tausche mich gerne mit ihnen aus und frage…

 

Wie würdest du das machen?

 

Denn so junge Geister, die haben ganz unkomplizierte Ideen. Wir Erwachsenen, die wir in unseren Prägungen gefangen sind, denken vieles viel zu kompliziert… begrenzen uns in Vielem. Und je kleiner die Kinder sind, desto kreativer sind sie.

Also lass dich inspirieren. Was du übernimmst, ist immer in deiner Entscheidung.

 

In meiner Fahrradwerkstatt hatte ich ja Kinderfahrrad-Reparaturkurse angeboten und durchgeführt. Wir haben Fahrräder komplett zerlegt und wieder aufgebaut. Ab dem Alter von sieben Jahren durften sie zu mir kommen und es war alles bunt gemischt. Wir hatten in einem Kurs Kinder im Alter zwischen sieben und 15 Jahren.

Ich hatte dann gesagt, welche Arbeit erledigt werden muss, zum Beispiel die Bremse.

Die vordere Bremse musste repariert werden. Und ich sagte zu den Kindern…

 

Jetzt sagt ihr mir… wie würdet ihr das reparieren? Was würdet ihr da jetzt machen? Schaut es euch einmal an.

 

Da passiert es, dass der 7-jährige es sich einfach neugierig anschaute. Ein 15-jähriger aber sagte…

 

Oh, dass kann ich doch gar nicht. Das habe ich doch noch nie gemacht.

 

Totale Überforderung. Er ist schon in der Begrenzung drin. Man muss zuerst wissen, wie etwas geht … das kommt natürlich sehr auf die Eltern drauf an … bevor man es anpackt. Und bei mir durften sie lernen, dass man es anschauen darf und sich einbringen darf. Dadurch konnte ich wieder Neues von den Kindern lernen, denn ich wurde ja ausgebildet. Mir wurde klar gesagt, wie es zu handhaben ist. In meiner eigenen Fahrradwerkstatt habe ich mir dann erlaubt, neu zu überdenken und mit den Kindern ist mir das noch besser gelungen, denn sie haben neue Impulse gebracht. Ich habe sie manchmal einfach machen lassen. Ja… es gab dadurch auch manchmal ‚Schäden‘, aber man kann ja alles ersetzen. Es waren Materialien, die ich einfach ersetzen konnte.

Ich war mit einem beobachtenden Auge da … ok, wenn es jetzt einen Rahmenschaden gegeben hätte, hätte ich natürlich rechtzeitig eingegriffen … aber die Kinder sind ja auch sehr sorgsam. Jeder hat sein Bestes gegeben. Das darf man so in seinem Bewusstsein haben, dass jedes Kind sein Bestes gibt. In dem Moment kann es nicht mehr geben… dann kannst du auch toleranter sein. Ich habe sie einfach machen lassen. Obwohl ich schon vermutete… das könnte jetzt nach hinten los gehen… habe ich sie machen lassen. Denn diese Erfahrungen sind so wichtig. Dadurch erlangen sie Erkenntnisse, die wertvoller sind, als jedes ‚Gerede‘ von einem Erwachsenen. Dadurch lernen sie viel mehr.

Wenn sie einen Schlauch zerstochen haben, weil sie ihn nicht richtig montiert haben, haben sie viel mehr gelernt und erkannt…

 

Ah, wenn ich das so mache, dann verletze ich den Schlauch. Hm, ok… wie kann ich es machen, dass ich einen neuen Schlauch beim Montieren eben nicht kaputt mache?

 

Dann kannst du es ihnen zeigen und wenn du diese Dinge so angehst, dann geht das viel, viel tiefer, als wenn du sie von deiner Machart überzeugen möchtest. Meine Jungs zum Beispiel sind handwerklich begabt und ich habe sie einfach machen lassen und ihnen dann einmal gezeigt, wie man einen Reifen repariert und sie konnten es.

Meistens versuchen wir schon das, was wir erlernt haben, den Kindern überzustülpen, anstatt ihnen erst einmal den Raum zu geben, das Material kennen zu lernen. So auch in der Küche. Meine Kinder waren von klein auf mit in der Küche und waren mit dabei und durften auch da die Materialien kennenlernen.

Mein ältester Sohn durfte mal mit seinem Grossvater an jedem Gewürz riechen, schmecken und ausprobieren. Er machte dabei grosse Erfahrungen und kocht heute noch gerne. Also den Kindern einfach den Raum lassen, einmal gewisse Dinge kennen zu lernen und in ihrer Zeit, in ihrem Tempo zu gehen.

Denn Kinder fragen… sie sind ehrgeizig. Wenn man es ihnen nicht abtrainiert, sind sie extrem ehrgeizig. Wenn man ihnen Raum gibt, dann wollen sie. Wenn du handwerklich begabt bist, dann wollen sie dich nachahmen. Sie beobachten dich, auch wenn du es nicht merkst. Wenn du denkst, sie lesen ein Kinderbüchlein… nein, sie beobachten dich mit einem anderen Auge. Sie nehmen dich permanent wahr und sie streben dir nach. Sie finden es faszinierend, was die Erwachsenen machen. Sie finden es faszinierend, wie sie laufen, also ahmen sie sie nach, bis sie laufen können. Sie beobachten dich beim Bügeln, beim Waschen, bei jeder Handlung.

 

Vertraue darauf, dass sie genau richtig sind, so wie sie sind. Und vertrauen darauf, dass die Kinder genau so, wie sie sind, ihren Beitrag auf dieser Welt leisten werden.

Je mehr du sie in ihrem SEIN wirken lassen kannst, desto reiner werden sie, desto weniger Therapien brauchen sie als Erwachsener. Denn sie werden sich kennen… sie werden wissen, wer sie sind, weil sie genau ihre Stärken kennen lernen und auch lernen, dass wenn etwas nicht gerade auf Anhieb eine Stärke ist, dass man es immer und immer wieder versuchen kann. Das zeige ich meinen Jungs auch auf.

 

Bei mir sind es zum Beispiel die Sprachen. Ich hatte nie Englisch. Ich hatte sechs Jahre lang Französisch… ich kann kein Wort Französisch. Ich verstehe nichts, wenn sie mit mir reden. Ich habe Verwandte, die französisch reden. Ich habe keine Chance. Ich verstehe nichts, obwohl ich sechs Jahre lang darin unterrichtet wurde.

Englisch möchte ich gerne lernen… da habe ich wirklich einen Drang dazu. Ich war mal fünf Wochen in Australien, um Englisch zu lernen. Ich hatte es sehr schnell gelernt… bin nach Hause gekommen und dort wurde es nicht mehr gebraucht … also war schnell wieder alles vergessen.

Jetzt hatte ich die erste Chance, mit meinem älteren Sohn Englisch zu lernen und da hatte ich schon wieder ein gutes Gespür bekommen. Ich verstehe relativ viel, mir fehlt einfach noch der Wortschatz. Mit meinem jüngeren Sohn lerne ich jetzt viel intensiver die englische Sprache. Es fasziniert mich. Ich lerne also wieder mit meinen Kindern.

 

Es geht vor allem darum, das Vertrauen zu haben, dass dein Kind genau richtig ist, so wie es ist. Ja, es braucht Begleitung. Es braucht Menschen, die es begleiten, aber nicht in Watte packen.

 

Ich sage immer wieder gerne, dass man den Kindern das Leben auch zutrauen darf. Ihnen Optionen aufzeigen, sie unterstützen, da wo sie Unterstützung möchten.

Und nicht irgendwelche Dinge und Meinungen über sie stülpen… sie verändern, verformen… der ‚Norm‘ anpassen, sondern fasziniert bleiben, was sie ausmacht… was sie für Begabungen haben, die dir vielleicht völlig fremd sind… was sie für Züge haben, die dir bekannt vorkommen und wohlwollend begleiten.

 

 

Viel Spass mit deinen Kindern auf der Reise des Eltern- bzw. MamiSEIN’s.